
Fotos: © rozmarin – Fotolia.com, Studentenwerk Frankfurt am Main, Studentenwerk Rostock, Studentenwerk Göttingen, Kay Herschelmann
Nachgehakt
Der tägliche Mensaspagat
Das Ernährungsverhalten der Studenten und auch die Nutzung der Mensa haben
sich verändert. Das ergab die 21. Sozialerhebung. Wir haben Verantwortliche um
Stellungnahme zu den Ergebnissen gebeten.
Prof. Dr. Jörg Magull, Geschäfts-führer
des Studentenwerks
Göttingen
& Vorsitzender des
Ausschusses für Hochschulgastro-nomie
Das klassische Modell mit einer Tages-hauptmahlzeit,
die mittags in der Mensa
eingenommen wird, ist für immer weniger Studierende die
erste Wahl. Stattdessen greifen sie auf mehrere, kleinere Mahl-zeiten
und Snacks zurück, die sie über den Tag verteilt essen,
was häufig den dicht getakteten Stundenplänen der Bachelor-
und Master-Studiengänge geschuldet ist. Genau das spiegelt
die 21. Sozialerhebung wider. Auf diese Entwicklung haben
die Studenten- und Studierendenwerke bundesweit mit dem
Ausbau ihrer Cafeterien-Angebote reagiert. Die Studierenden
nutzen das hochschulgastronomische Angebot heute diffe-renzierter.
Die Mensen und Cafeterien
sind für sie wichtige
Kommunikations- und Arbeitszonen: Ohne Verzehrzwang
diskutieren und tauschen sie sich hier frei aus oder lernen ge-meinsam
für anstehende Tests und Klausuren.
Kai Hörig, Geschäftsführer des
Studentenwerks
Rostock
Früher war die Mensa ein Selbstläufer.
Heute ist das anders. Ein Problem für viele
Studierende sind die zeitlichen Anforderun-gen
in den eng getakteten Bachelor-
und
Master-Studiengängen. Durch die hohe
Verfügbarkeit von Lebensmitteln rund um
die Uhr ist es für sie zudem einfacher ge-worden,
sich selbst zu bekochen – oder den Online-Lieferdienst
zu nutzen. Nichtsdestotrotz nutzen 73 % der Studierenden die
Angebote in unseren Mensen. Die Mensa hat Konkurrenz – das
ist für uns aber kein Grund zum Jammern, sondern eine Heraus-forderung,
die wir gerne annehmen. Nach der Wende wurde
in den neuen Bundesländern sehr viel in die Mensagebäude
und die technische Ausstattung, die Qualität und Vielfalt der
Angebote investiert. Anfang der 2000er Jahre haben Kollegen
Frischetheken eingeführt und das Sortiment um vegetarische
und vegane Angebote erweitert. Wir haben Richtlinien und Re-zepturen
entwickelt, die in die Menülinie „mensavital“ einge-flossen
sind, die bundesweit von den Studentenwerken genutzt
wird. Mir ist um die Mensa also nicht bange.
Achim Meyer auf der Heyde,
Generalsekretär des Deutschen
Studentenwerks
Sage mir, was du isst, und ich sage dir, wer
du bist. Die individuelle Ernährungsweise ist
heute ein persönliches Statement. Darüber
sagt die 21. Sozialerhebung aber wenig aus,
weil wir die Studierenden danach nicht ge-fragt
haben und die Studie dafür auch nicht
geeignet ist. Dennoch lässt sich feststellen:
Die Studenten- und Studierendenwerke stehen in ihren Mensen,
Cafeterien und Bistros täglich vor der Herausforderung, eine in Er-nährungsfragen
heterogene, anspruchsvolle und kritische Klien-tel
bedienen zu dürfen. Und sie schaffen das: keine Ernährungs-weise,
die die Studentenwerke nicht bedienen, kein Anspruch,
den sie nicht erfüllen, kaum ein Trend, den eine moderne Mensa
nicht aufgreift. Das ist ein echter Spagat: zwischen dem mög-lichst
preiswerten Mensaessen und den vielfältigen, fast schon
ideologisch anmutenden Ernährungsvorlieben. Zu den Zahlen
der Sozialerhebung muss diese qualitative Dimension des Mensa-essens
mitgedacht werden. Mein Fazit: Die Mensen der Studen-tenwerke
meistern den Spagat zwischen Sozialauftrag und sich
ausdifferenzierenden Ernährungsgewohnheiten hervorragend.
Gudrun Hartmann, Abteilungsleiterin
Verpflegung des Studentenwerks
Frankfurt am Main
Anspruchsvoll und preissensibel – unsere
Kunden sind nicht leicht zufriedenzustel-len.
Wir bieten z. B. mit unserer Cafeteria
„Dasein“ ein nachhaltiges Gesamtpaket an,
das ökologisch, ökonomisch und sozial ist.
Zu den Werten vieler Gäste gehört auch
der Wunsch nach gesundem Essen, das ih-ren
Körper nicht belastet und ihre Leistung steigert. Deshalb
bereiten wir viele Gerichte vitaminschonend und fettarm zu –
mit naturbelassenen Zutaten, ohne Geschmacksverstärker. Es
wundert mich nicht, dass bei der Sozialerhebung viel weniger
Studierende angeben, dass die Qualität des Angebots sie nicht
daran hindert, in die Mensa zu gehen. Wir – meine Kollegen der
anderen Studenten- und Studierendenwerke und ich – haben
in den vergangenen Jahren viel getan, damit die erlebte Quali-tät
unseres Angebots sich ständig verbessert. Schön, wenn sich
diese Bemühungen auch sozialwissenschaftlich belegen lassen.
18 GVmanager 9 /2017