
Fotos: privat, Studierendenwerk Aachen/Sabine Schmidt
Mensatest – sinnfrei oder
Der Gastronomiekritiker Jürgen Dollase hat es mittlerweile auch auf Mensen
abgesehen. In seinem Blog der Frankfurter Allgemeinen Zeitung veröffentlicht
er seine Meinung zu den getesteten Essen. Wir haben einige Küchenleiter dazu
Stellung nehmen lassen. Wie ihre Betriebe im Original bewertet wurden können
Sie nachlesen unter: www.gastroinfoportal.de/dollase.
Herr Bouhlou, Küchenchef, Städelschule
Frankfurt
Als Herr Dollase unsere Mensa getestet hat, wussten
wir zwar im Vorhinein Bescheid, aber wir haben
trotzdem keine besonderen Vorkehrungen
getroffen. Im Gegenteil: Wir hatten sogar eine
Kraft zu wenig in der Küche, weil ein Mitarbeiter
krank war. Das Ergebnis war dennoch gut, wir hatten
Glück. Und zwar nenne ich es Glück, weil wir
an dem Tag etwas zubereitet haben, was dem Tester geschmeckt
hat. Das hätte auch anders ausgehen können, einfach weil es in der
Gemeinschaftsverpflegung, wie auch in der Gastronomie schwierig
ist, alle Gäste zufrieden zu stellen. Auch wenn ich diesen Anspruch
habe, bin ich glücklich, wenn meine Studenten an drei Tagen in der
Woche zufrieden sind.
Was den Test insgesamt angeht, bin ich sehr zwiegespalten. Denn
einerseits finde ich es gut, wenn Missstände in Küchen der Gemeinschaftsverpflegung
in der Öffentlichkeit diskutiert werden. Früher
war die Philosophie jedoch anders, heute geht es um Profit. Die
Mitarbeiter werden vergessen, es wird gekürzt und gar nicht mehr
so sehr auf Qualität geschaut. Das aufzudecken, finde ich gut. Es ist
aber falsch, zu sagen, dass schlechte Qualität des Essens mit den
Köchen oder dem Personal zusammenhängt. Es liegt schlichtweg
an der Finanzierung. Andererseits stehe ich dem Test kritisch gegenüber,
weil er überhaupt nicht objektiv ist. Es ist nicht richtig, dass sich
eine Person hinsetzt und an einem Tag das Essen testet. Vielleicht hat
derjenige einen Abend davor scharf gegessen. Das beeinflusst den
Geschmack. Außerdem muss er sich auch in die Masse versetzen
können. Wenn ein Inder das gleiche Essen gegessen hätte, würde er
vielleicht bemängeln, dass es zu wenig gewürzt ist. Um etwas wirklich
objektiv zu testen, benötigt man mindestens drei bis vier Leute,
die das Essen an verschiedenen Tagen testen. Ich finde es schwierig,
dass eine Person entscheidet, was gut oder schlecht ist. Das kann
unter Umständen eine riesige Welle für die Küche nach sich ziehen.
Da hat Herr Dollase eine große Verantwortung. Mir persönlich sind
meine Gäste wichtig, die ich auch als solche ansehe – und nicht als
Kunden. Wenn wir häufig Beschwerden über das Essen bekommen
würden, würden wir etwas ändern. Doch das ist nicht so.
Gregor Neumann, Abteilungsleiter Gastrono-mie,
RWTH Aachen
Grundsätzlich haben wir nichts dagegen, wenn
jemand unser Essen bewerten möchte – konstruktive
Kritik von Seiten unserer Gäste nehmen wir gerne an.
Ein regelmäßiges Feedback halten wir für unentbehrlich,
weil nur das eine Basis für Verbesserungsprozesse
schafft. Eine „Studie“, die der „kulinarischen Erziehung“
dienen soll und die zudem die Alltagstauglichkeit
außer Acht lässt, erscheint uns allerdings weniger
sinnvoll. So etwas ist wohl eher in der Unterhaltungsbranche
anzusiedeln. Wir geben 14.000 Essensportionen
am Tag aus, und das machen wir
offenbar sehr gut, sonst würden unsere
Gästezahlen nicht ständig steigen.
Unserer Meinung nach setzt Herr
Dollase hier mit übertriebenen Gourmet-
Ansprüchen an ein Mensaessen
falsche Maßstäbe, sodass wir nicht wirklich
ernsthafte Schlüsse daraus ziehen
können. Gourmet-Essen ist nicht der
Auftrag der Studierendenwerke.
Herr Dollase beurteilte zwei Gerichte,
davon eines positiv. Das andere wurde unter falschen
Voraussetzungen getestet. Frittierte Lebensmittel wie
die getesteten Blätterteigtaschen und Pommes frites
überstehen keinen längeren Transportweg und sollten
direkt frisch und vor Ort verzehrt werden, um sie angemessen
bewerten zu können. Der Punktabzug für
die fehlende Knusprigkeit war schon fast eine kleine
Frechheit, und wir waren sehr erstaunt, dass gerade
Herr Dollase diesem Umstand nicht Rechnung trägt.
Bei uns wird zudem an vielen Aktionstheken mit ganz
frischen Zutaten gekocht. Wir hätten uns hier eher
eine Beurteilung des gesamten Mensaangebots gewünscht
und empfinden die Darstellung der Hochschulmensen
als sehr einseitig. Sie wird der heutigen
Vielfalt nicht gerecht.
Nachgehakt
20 GVmanager 6-7 /2017