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„Nachhaltigkeit ist ein Megatrend. Kein
Gastronom kommt drumherum, sich
Gedanken zu dieser Thematik zu machen
und entsprechend Maßnahmen sukzessive
umzusetzen.“ Manuel Potthoff, TÜV Rheinland Cert
6-7/2019 GVmanager 21
Nachhaltiger
Check
Ende Mai lud der TÜV Rheinland zur
Veranstaltung rund um das neue
Nachhaltigkeitsmodul für die
Gemeinschaftsgastronomie nach Köln.
Bereits zertifizierte Betriebe gaben einen
Einblick in ihr Handeln.
Wer an den TÜV denkt, denkt in erster
Linie an die Bereiche Kfz und Aufzü-ge
– mit einem Speiseplan bringt uns
niemand zusammen“, erklärt der Oecotropho-loge
Manuel Potthoff, der beim TÜV Rheinland
Cert in Köln für das Projektmanagement ver-antwortlich
ist. „Vielmehr sind wir aber gene-rell
in der Auditierung stark und global tätig.“
So ist es also auf den zweiten Blick doch nicht
verwunderlich, dass auch die Auditierung von
Betrieben der Gemeinschaftsgastronomie in
die Verantwortung des TÜV fällt. Ergänzend
zum Zertifizierungskonzept „Ausgezeichnete
Gemeinschaftsgastronomie“ bietet der TÜV
seit diesem Jahr ein Nachhaltigkeitsmodul an,
denn „Nachhaltigkeit ist ein Megatrend. Kein
Gastronom kommt drumherum, sich Gedan-ken
zu dieser Thematik zu machen und ent-sprechend
Maßnahmen sukzessive umzuset-zen“,
betonte Manuel Potthoff.
Einen Einblick in die Vorgehensweise bei der
Zertifizierung gab Prof. Dr. Volker Peinelt,
emeritierter Professor der Hochschule Nie-derrhein
Mönchengladbach, der weiterhin
als Ernährungswissenschaftler aktiv ist und
das Zertifizierungskonzept sowie das Zusatz-modul
mitentwickelt hat. Die Prüfung um-fasst
ein Checklisten-Verfahren mit maximal
530 Fragen im ersten Schritt, gefolgt von
Belegverfahren und einem externen Audit.
In puncto Nachhaltigkeit berücksichtigt das
Verfahren das 4-Säulen-Modell aus Ökologie,
Ökonomie, Sozialem und Gesundheit. „Eine
Zertifizierung ist nicht zwingend nötig, aber
sie kann für GV-Betriebe hilfreich sein, da das
TÜV-Zertifikat einen anderen Stellenwert für
die Gäste hat wie eine interne Prüfung“, erklär-te
Volker Peinelt, der zudem einräumte, dass
das Konzept Probleme aufzeige, von denen
fällt immer wieder etwas auf, das man in der
Praxis noch besser machen kann.
Noch nachhaltiger
Ralf Meyer berichtete über seinen Alltag in der
Klinikküche, die er zum Start seines Jobwech-sels
komplett umkrempelte. Seitdem setzt das
Küchenteam auf eine hohe Eigenfertigung, die
dank Investitionen in die technische Ausstat-tung
und das Engagement sowie die Qualifika-tion
der Mitarbeiter möglich wurde. Ob selbst-gemachte
Marmelade, nachhaltig abgefüllt in
Porzellanschälchen, oder selbstgezogene Sau-cen
und Fonds aus wöchentlich 60 Kilogramm
kostenlosen Gemüseabschnitten – das Küchen-team
arbeitet umsichtig und ressourcenscho-nend.
„Den Nachhaltigkeitsgedanken haben
wir immer schon unbewusst gelebt, das Nach-haltigkeitszertifikat
war da ein folgerichtiger
Schluss“, räumt er ein. Und die Zertifizierung
hat einen weiteren Vorteil, sie bedingt, dass
weitere Maßnahmen hin zu mehr Nachhaltig-keit
ergriffen werden. „Die üblichen Joghurtbe-cher
haben wir abgeschafft, stattdessen füllen
wir Naturjoghurt samt selbstgekochtem Frucht-püree
nun auch in kleine Porzellanbecher. Das
selbstgemachte Produkt ist zudem günstiger als
der Becher und es sind keine Konservierungs-stoffe
enthalten“, nennt der Chef de Cuisine ein
Beispie. Er ist überzeugt davon, dass das Zerti-fikat
dazu beiträgt, dass sich das Team intern
weiter festigt. „Häufig werden Care-Betriebe
zentralisiert, wir aber haben Bestand. Durch
die hohe Eigenfertigung und die damit verbun-denen
Einsparungen können wir 155 Arbeits-
plätze erhalten“, freut sich Ralf Meyer. sar
man entsprechende Lösungen ableiten könne.
Nach dem theoretischen Part gewährten Horst
M. Kafurke, Geschäftsführer der Innogy Gas-tronomie,
und Ralf Meyer, Chef de Cuisine
der Augusta Krankenanstalt Bochum, einen
Einblick in ihr Handeln, das bei den Betrieben
jeweils zu einer Premium-Zertifizierung „Aus-gezeichnete
Gemeinschaftsgastronomie“ (ab
90 Prozent erfüllter Kriterien) führte.
Gesamter Prozess
Dabei ließ sich die Innogy Gastronomie als Pilot
mit 52 Betrieben im Verbund zertifizieren und
entschied sich für das Nachhaltigkeitszertifikat
des TÜV, da „dies das einzige Zertifikat ist, das
die komplette Prozesskette in der Gemein-schaftsgastronomie
abdeckt“. Voraussetzung
für dieses ist zudem das Bestehen des ersten
Moduls „Ausgezeichnete Gemeinschaftsgas-tronomie“.
Darüber hinaus zeigte Horst Kafurke
die Parallele zum eigenen Handeln auf: „Wir
arbeiten selbst schon lange mit dem 4-säuli-gen
Nachhaltigkeitskonzept; unserem tagtäg-lichen
Wirken liegt dieses zugrunde.“ Auf Ba-sis
dessen hat der Betrieb so z. B. auch eine
Nährwertampel als Beitrag zum Betrieblichen
Gesundheitsmanagement in seinen Casinos
eingeführt. Ebenso wurden Checklisten für alle
Warengruppen mit bis zu
60 Parametern zur Überprü-fung
der Nachhaltigkeits-standards
bei den verschie-denen
Lieferanten bzw. Pro-duzenten
erarbeitet. Hierzu
zählen z. B. die Arbeitsbe-dingungen
der Mitarbeiter,
die Art der Aufzucht der
Tiere, Futtermittel, die Bedingungen vor Ort in
den Stallungen bzw. bei der Schlachtung, die
maßgeblich bei der Wahl eines Lieferanten für
Schweine oder Rinder sind, wie er erzählt. Er
verwies darauf, dass zertifizierte Unternehmen
sich stetig selbst hinterfragen müssen, denn es