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Azubis aktiv ansprechen
In Zeiten des Fachkräftemangels muss sich das Gastgewerbe aktiv um seinen
Nachwuchs bemühen. Das Internetportal Azubiyo kann dabei helfen, potenzielle
Azubis zu erreichen.
Wie kann Azubiyo bei der richtigen Berufs-wahl
helfen?
Ich glaube, das Allerwichtigste ist, dass sich
Schüler geordnet und strukturiert mit der
Fülle an Informationen auseinandersetzen.
Das ist auch der wichtigste Punkt bei un-serem
Berufswahltest. Was dabei am Ende
herauskommt, ist gar nicht so relevant wie
der Weg dahin: dass man sich mit seinen
Stärken und Wünschen hinsichtlich der
Arbeitsbedingungen auseinandersetzt.
Wie sehen Sie das Problem des Fachkräfte-mangels
und warum hat gerade die Hotel-
und Gastronomiebranche solche Probleme,
Azubis zu finden?
Zum einen kann sich die Branche nicht vom
allgemeinen Trend abkoppeln: Es gibt we-niger
Bewerber als Stellen ausgeschrieben
werden. Hinzu kommen die besonderen He-rausforderungen
in Hotellerie und Gastrono-mie:
Schichtbetrieb und Wochenendarbeit
sind anspruchsvoll. Es ist ein serviceorien-tierter
Job, das heißt man muss eine gewisse
Frustrationstoleranz mitbringen. Hier gilt es,
durch Active Sourcing genau die Kandida-ten
zu finden, die solche Herausforderungen
suchen. Außerdem hat die nachwachsen-de
Generation einen starken Wunsch nach
einer hohen Work-Life-Balance. Als Gastro-nom
und Hotelier steht man jetzt vor der Auf-gabe,
das in Einklang zu bringen.
Glauben Sie, dass höhere Gehälter eine
Lösung sein können, um mehr Jugendliche
ins Gastgewerbe zu locken?
Mehr Geld hilft. Niemand arbeitet gerne
für wenig Geld. Je teurer die Lebenserhal-tungskosten
werden, desto mehr muss man
den Leuten auch bieten. Aber ich glaube
nicht, dass Jugendliche per se die Erwar-tung
haben, vom ersten Tag an viel Geld
zu verdienen. Das Gesamtpaket muss stim-men.
Man sollte sich wirklich überlegen:
Wie biete ich meinen Azubis eine Perspek-tive,
welche Weiterbildungen und Vorteile
kann ich ihnen verschaffen? Wenn Jugend-liche
merken, dass auf ihre Wünsche ein-gegangen
wird, kann sich das herumspre-chen.
Die Branche hat ja durchaus auch
etwas zu bieten.
Die Online-Stellenbörse azubiyo.de
bildet die Schnittstelle zwischen
Ausbildungssuchenden und Arbeit-gebern.
In Berufswahltests können Schüler
ihre Stärken und Präferenzen erarbeiten.
Diese werden mit den Anforderungen von
Unternehmen abgeglichen und beide Par-teien
werden dann, ähnlich wie bei einer
Partnervermittlung, zusammengeführt.
Gegründet 2009, beschäftigt Azubiyo mittler-weile
70 Mitarbeiter an drei Standorten und
betreut über 2000 Kunden. Auf dem Future
of Recruiting Summit 2018 wurde das Unter-nehmen
zur besten Jobbörse in der Kategorie
Spezialisten-Jobbörsen ausgezeichnet.
Florian Schardt, einer der beiden Gründer
und Geschäftsführer von Azubiyo, spricht
im Interview mit first class über Berufsori-entierung,
Active Sourcing und die Her-ausforderungen
der Hotel- und Gastrono-miebranche.
ZUR PERSON
first class: Herr Schardt, wie kamen Sie dazu,
die Nische Ausbildung/Duales Studium zu
bedienen?
Florian Schardt: Für mich ging es damals
mit der Beobachtung los, dass sich Jugend-liche
im Bereich der Berufsorientierung
schwertun. Also wollten wir diesen einen
zusätzlichen Orientierungspunkt geben. Wir
sind dann mit unseren Überlegungen auf
Messen gegangen und haben Unternehmen
angesprochen. Diese haben uns signalisiert,
dass sie vermehrt Schwierigkeiten haben,
ihre Ausbildungsplätze zu besetzen.
„Für die Rekrutierung unserer
Hotelfachleute und Köche nutzen
wir Azubiyo sehr gerne. 75 Prozent
unserer Bewerbungen bekommen
wir über die Plattform.“
Christoph Hecker, Direktor des Holiday Inn
Berlin – City East Side
Wie können Hoteliers und Gastronomen von
Ihrer Website profitieren?
Wir verstehen uns als Schnittstelle zwischen
Schule und Betrieb. Das heißt, wir begleiten
Jugendliche nach der Schule in die Praxis
und umgekehrt bieten wir Unternehmen ei-nen
Kanal um diese zu erreichen. Wo wir
helfen können, ist besonders beim Active
Sourcing. Unternehmen können passende
Schüler direkt anschreiben und auf ihren
Ausbildungsplatz und Benefits aufmerksam
machen. Davor schrecken viele Betriebe
leider immer noch zurück, obwohl Active
Sourcing besonders effektiv ist. Werden
Jugendliche direkt angesprochen, steigt die
Wahrscheinlichkeit der Bewerbung. Und
je individueller die Ansprache, desto eher
schicken die Schüler eine Bewerbung für
diese Stelle.
Was könnten weitere Lösungsansätze für die
Nachwuchssorgen der Branche sein?
Eine Lösung kann es sein, duale Studien-gänge
im eigenen Unternehmen anzubieten.
Das ist sehr clever, weil man auf der einen
Seite den Jugendlichen den Wunsch nach ei-ner
akademischen Ausbildung erfüllt und sie
gleichzeitig langfristig an sich bindet.
Das Zweite ist, aufzuzeigen, dass man auch
ohne Studium etwas erreichen kann. Wenn
jemand mit einer Ausbildung in eine sehr
verantwortungsvolle Position gekommen
ist, dann müssen die potenziellen Bewerber
das wissen. Über Vorbilder funktioniert das
langfristig. Schülerpraktika können außer-dem
helfen, Vorurteile abzubauen und jun-gen
Leuten zu zeigen, was die Branche zu
bieten hat.
Vielen Dank für das Gespräch. ben
Florian Schardt
ist studierter Volkswirt
und einer der beiden
Gründer von Azubiyo. Im
Unternehmen ist er für die
Produktentwicklung ver-antwortlich
und kümmert
sich darum, die Jugend-lichen
zu erreichen. Der
Erfolg von Azubiyo beruht seiner Meinung
nach vor allem auf der Möglichkeit des Active
Sourcing.
mitarbeiterwege
4/2019 61