
Fotos: privat
Nachgehakt
Fluch und Segen zugleich
Als Koch kennt man die Abläufe in einer Küche, weiß, welches Gewürz beim Gericht
fehlt und hat bestimmte Vorstellungen von Service und Ambiente. Ist das hilfreich
oder belastend bei einem privaten Restaurantbesuch? Wir haben Insider gefragt.
Petra Gobelius, Geschäfts-
führerin, Kinder-Cater GmbH,
Bergheim:
Sind Sie ein kritischer Gast?
Wenn ich ein Lokal betrete, bin ich
erst einmal glücklich, einen Raum
zum Genießen gefunden zu haben.
Natürlich beobachte ich dann alles
mit meinem „Gastro-Blick“. Durch
meine vielen Messebesuche kann ich
auch schnell erkennen, ob es sich um
TK-Convenience handelt oder ob eine
Speise selbstgemacht ist. Auch in Bezug auf die Hygiene
bin ich kritisch. Meine Töchter machen mich aber immer
etwas genervt darauf aufmerksam, dass ich nicht ständig
die Schwachstellen auflisten soll. Dann halte ich mich zu-rück.
Wenn ich nach dem Essen gefragt werde, ob es mir
geschmeckt hat, gebe ich eine ehrliche Antwort – auch
wenn sie schlecht für mein Gegenüber ausfällt. Daraus
habe ich gelernt, bei unseren Gästen häufiger zu fragen,
was sie auf dem Herzen haben.
Haben Sie schon mal ein Gericht nachkochen wollen und
daher nach dem Rezept gefragt?
Nein, ein Gericht ist eine Gesamtkomposition, die man
nicht einfach nachbauen sollte. Außerdem ist es geistiges
Eigentum und Know-how, das man nicht preisgeben soll.
Falls es möglich ist, schaue ich mir aber gerne die Zube-reitung
oder die Logistik an – auf diese Weise kann ich
viel lernen und versuche, Anregungen in meinen Betrieb
einfließen zu lassen. Einem Besuch in der Küche würde
ich nur auf direkter und spontaner Einladung folgen – das
aber sehr gerne, weil ich neugierig bin, wie sich andere
organisieren.
Was macht für Sie einen guten Restaurantbesuch aus?
Bereits beim Betreten eines Restaurants entwickle ich eine
Sympathie oder Neugierde. Manchmal entsteht dieses
Gefühl aber auch nicht – und dann wird es oft fad. Schein-bar
habe ich dafür eine „Antenne“: Wie authentisch und
professionell sind die Mitarbeiter, wie sind die Tische ar-rangiert,
wie ist das Licht? Erst später achte ich darauf,
wie die Speisekarte aufgebaut ist, wie das Essen schmeckt
und wie die Rechnung präsentiert wird. Ich mag es z. B.,
wenn noch etwas „kleines Schmackhaftes“ als Geschenk
vom Haus zur Rechnung dazu gegeben wird.
Alexander Schollenberger,
Leiter Mensa Finkenau,
Studierendenwerk Hamburg:
Sind Sie ein kritischer Gast?
Grundsätzlich glaube ich schon, dass ich
sehr kritisch bin. Es kommt natürlich auf
die Erwartungshaltung an. In einem Ster-nerestaurant
ist diese sicherlich eine andere
als in einem Burgerrestaurant. Dass ich ein
Essen zurückgehen lasse, passiert ganz sel-ten.
Dafür muss es aber wirklich unterirdisch
schlecht gewesen sein. Natürlich kommt es
vor, dass ein Essen manchmal nicht so lecker war. Oft möchte ich aber
nicht urteilen, ohne die speziellen Gegebenheiten oder Situationen
vor Ort zu kennen. Daher tue ich mich mitunter schwer damit, meine
Eindrücke unter meinen Begleitern zu kommunizieren.
Haben Sie schon mal ein Gericht nachkochen wollen und daher nach
dem Rezept gefragt?
Nach einem Rezept habe ich in einem Restaurant noch nie gefragt.
Dennoch geht man essen und betrachtet die Produkte, Zusammen-stellungen
und Zubereitungsweisen. Man versucht ständig Dinge,
die andere gut machen, aufzugreifen, zu reproduzieren, abzuän-dern
oder zu optimieren. Es ist großartig, wie immer wieder neue
Produkte und Rezepte im Zuge der Globalisierung und kulturellen
Vielfalt zu uns finden. Auch in der Gemeinschaftsverpflegung ist es
wichtig, aktuelle Trends zu beobachten und zu entscheiden, welche
hier umsetzbar wären. Insbesondere, weil administrative Aufgaben
einen immer häufiger an den Schreibtisch fesseln, ist es erfrischend,
die Möglichkeit zu haben, das Geschehen in Küchen zu beobachten.
Wenn die Kollegen einen tollen Job gemacht haben, sollte das kom-muniziert
werden. Denn Gästefeedback kommt in der Küche leider
viel zu selten an.
Was macht für Sie einen guten Restaurantbesuch aus?
Bei einem Restaurantbesuch möchte ich mich direkt wohlfühlen –
eine entsprechende Willkommenskultur muss da sein. Denn ob ein
Servicemitarbeiter Spaß an der Arbeit hat oder nicht, merkt man so-fort.
Das Essen sollte frisch und mit großem handwerklichen Geschick
hergestellt und angerichtet sein. Bodenständige und einfache Küche
kann genauso großartig sein wie hochfrisierte vom Guide Michelin
prämierte Teller. „Mehr Schein als Sein“ ist bedauerlicherweise zu
häufig das Motto. In hippen und trendigen Szene-Gastronomien ist
das Interieur wichtiger als das servierte Gericht. Tendenziell würde ich
sagen, dass ich solche gastronomischen Konzepte meide und ehrliche
sowie hochwertige Küche präferiere.
26 GVmanager 3/ 2019