
Foto: Munich RE/Aramark
Schätzungen zufolge bleibt fast ein Drit-tel
jeder Obst- und Gemüseproduktion
auf dem Feld liegen. „Des Aussehens
wegen wird nicht normgerechtes Obst und
Gemüse aussortiert und liegengelassen oder
sogar weggeworfen. Das Aussortieren nach
Unter-/Übergröße, Vernarbung, Verformun-gen
oder Hagelschäden führt zu einer enor-men
Ressourcenverschwendung. Qualitativ
handelt es sich um einwandfreie Ware, die
entsorgt statt konsumiert wird“, kritisiert der
Generalsekretär der Deutschen Bundesstiftung
Umwelt (DBU) Alexander Bonde.
„Dass zu viel des geernteten Obsts und Gemü-ses
nicht auf unseren Tellern, sondern im Müll
landet, ist ein Problem, das uns schmerzlich
bewusst ist“, sagt Alex Kiendl vom Ökoring aus
Mammendorf. Der Bio-Großhandel mit regio-nalem
Fokus bietet mit dem Projekt „Einzig-
Artig“ seit 2016 ein saisonales Angebot an
individuell
gewachsenen Früchten an. Das An-gebot
wird sehr gut angenommen. „Vereinzelt
gab es schon Irritationen, da das als ,Einzig-
Artig‘ deklarierte Gemüse nicht ,krumm‘ ge-nug
war. Für uns zeigt genau dieser Umstand
deutlich das Problem der Normen: Obst
und Gemüse, das in Sachen Frische und Ge-schmack
und auch im Blick des
Händlers einwandfrei ist,
wird aufgrund der
Größe oder Form
schon beim Pro-duzenten
aussor-tiert,
obwohl es
durchaus mög-lich
wäre auch
krumme, große,
dicke, kleine usw.
Ware zu verkaufen“,
erklärt er.
Warum wird das dann bis-lang
nicht flächendeckend getan? Bis 2009
regelte die „Gurkenverordnung“ der Europä-ischen
Gemeinschaft u. a., dass eine Gurke
der Handelsklasse „Extra“ auf 10 cm Länge
maximal 10 mm gekrümmt sein darf. Als in-terne
Normung soll sie den wichtigsten Groß-händlern
noch heute dienen. Für das Aussor-tieren
wird ein praktisches Argument genannt:
Krumme Gurken z. B. passen nicht so gut in
die Gemüsekisten. „Das ist definitiv so. Den-noch
sehen wir uns moralisch verpflichtet,
nach Mitteln und Wegen zu suchen, solche in
der Qualität keineswegs verminderten Waren
BEST PRACTICE
Mathias Sarcander, Aramark-Küchendirektor bei Mu-nich
RE und Kunde von Querfeld:
„Da Nachhaltigkeit das Thema unserer Zeit ist, ist der
Aspekt Gemüserettung für Eigenwerbung top, um neue
Mitarbeiter und Fans zu gewinnen. Da in den Wochen-angeboten
von Querfeld genau beschrieben steht, um
welche Fehler es sich handelt, ist es möglich abzuwägen,
in welchem Umfang wir deren Gemüse einsetzen. Der
größte Teil der angebotenen Ware weist nur optische
Mängel auf, wie Farbverläufe bei Paprika und Tomaten,
kleine Schalenfehler bei Zucchini oder Gurke oder ist ein-wandfreie
Ware aus Überproduktionen. Wir beziehen 350
bis 400 kg Gemüse pro Woche in Steigen – hauptsächlich
Tomaten, Gurken und Paprika. Hinzu kommt Saisonware
wie Kürbis, Rüben oder Kohl. In kleineren Mengen und
nach Verfügbarkeit bestellen wir Zwiebeln, Auberginen,
Rettich, Blattsalat, Zitronen, Melonen, Karotten und
Lauch. In Spitzenzeiten und je nach Menüplanung kann sich die wöchentliche Bestell-menge
auf bis zu 800 kg erhöhen. Wir verarbeiten größtenteils Steigenware, daher
bedeutet dies keinen Mehraufwand. Natürlich kommt es vor, dass einzelne Chargen
etwas aufwändiger zu verarbeiten sind. Da die Ware aber größtenteils günstiger ist als
bei unserem Hauptlieferanten, gleicht sich das aus. Karotten oder Lauch werden z. B.
für die Herstellung von Brühen und Saucen verwendet und die Frühkartoffeln werden
mit Schale serviert. Wenn unsere Gäste mich auf das Gemüse ansprechen, sage ich
immer: Es sieht aus, als käme es gerade aus dem Garten hinterm Haus.“
ebenso an den Kunden zu bringen“,
führt Alex Kiendl aus. Nicht zu Un-recht
werde immer wieder festge-stellt,
der Verbraucher würde keine
krummen Gurken wollen. Auch da
setzt die Initiative mit Informations-material
und Verkaufshilfen an: „Da
es der Handel ist, der diese Normen
auch ohne EU-Verordnung festlegt, wollen
wir mit ,EinzigArtig‘ dieser Entwicklung entge-gensteuern.“
Nachfrage steigern
Der Nabuko Bio-Großverbraucherservice in
Uelzen
führt in seinem Sortiment eben-falls
Gemüse, das
der Handel nicht
möchte. Von sei-nen
Kunden direkt
Norm retten Eigenwerbung einwandfrei
Ausschuss Culinary Misfits
wird es allerdings
weniger stark nachgefragt, da es zu arbeitsintensiv
ist, z. B. wenn Verwachsungen von
der Schältechnik nicht erfasst werden können.
Auch das Start-Up Querfeld geht gegen das
Verschwenden von Lebensmitteln vor: Mithilfe
einer digitalen Online-Plattform werden bereits
Einrichtungen der Außer-Haus-Verpflegung in
Berlin und München, darunter Aramark, ver-sorgt.
Das zweitgrößte Catering-Unternehmen
Deutschlands will künftig weitere Betriebsres-taurants
anbinden. Momentan verkauft Quer-feld
ca. 4 t Bio-Obst und -Gemüse pro Woche
an den Standorten Berlin, München und NRW.
Für 2019 sind Frankfurt und Hamburg als wei-tere
Lieferstandorte geplant. Mittelfristig folgt
der Ausbau eines bundesweiten Netzwerks.
Alexander Bonde von der DBU, die das Projekt
fachlich und finanziell mit rund 266.000 € för-dert,
informiert: „Während des Projekts sollen
200 t Obst und Gemüse gerettet werden, da-von
mindestens 90 t über die Plattform.“
„Qualitativ
handelt es sich um
einwandfreie Ware,
welche entsorgt statt
konsumiert wird.“
Alexander Bonde,
Deutsche Bundesstiftung
Umwelt (DBU)
Nachhaltigkeit
1-2/ 2019 GVmanager 25