
Dr. Michael Polster,
Vorsitzender DNSV
Mareike Knewitz,
Redakteurin Schulverpflegung
Michael Polster
1. Vorsitzender Deutsches Netzwerk Schulverpflegung e.V. (DNSV)
vorsitzender@schulverpflegungev.net
Mareike Knewitz
Schulverpflegung
Aus Kongress wird
Konferenz
Kommentar
Sag mir wer du bist,
ich sag dir was du isst
Mädchen essen gesund und viel Gemüse, Jungs konsumieren v. a.
Burger mit Pommes und trinken Softdrinks. Vorurteil oder
Realität?
Wie sehr kann man Geschlechtern Essgewohnheiten
zuordnen? In welchem Maße geschlechtsspezifisches Verhalten aner-zogen
oder durch die DNA bestimmt wird, darüber gibt es unzählige
Quellen. Das gilt nicht nur für die Wissenschaft. Und wer der Meinung ist
„Mein Kind wird völlig neutral erzogen“, dem bleibt wohl beim nächsten
Mal der Satz „Iss, mein Junge, damit du groß und stark wirst“ im Halse
stecken.
Wir wissen, dass Männer täglich doppelt so viel Fleisch, Wurstwaren und
Fleischerzeugnisse essen wie Frauen. Das ergab zumindest die Nationale
Verzehrstudie II. Gut, die Befragungen sind mittlerweile elf Jahre her.
Doch ob sich seitdem tatsächlich viel geändert hat, ist fraglich. Also die
Bratwurst für Jungs und die Gemüsepfanne für Mädchen? Was Kinder
und vor allem Jugendliche essen, ist heute häufig nicht mehr primär vom
Elternhaus abhängig. Beeinflusst wird das Essverhalten dieser Generation
insbesondere durch die Medien. Die Werbung suggeriert: Für Jungs müs-sen
Lebensmittel vor allem einen Coolnessfaktor haben. Bei Mädchen
spielt die eigene (Wunsch-)Figur eine große Rolle. Doch auch Gesund-heitsversprechen
scheinen bei weiblichen Essern gut anzukommen. Eines
ist bei Jungs und Mädchen zumindest gleich: Influencer bestimmen das
Essverhalten. Das wird künftig vermutlich mit voranschreitender Digitali-sierung
weiter zunehmen.
Die Zuschreibungen genderspezifischer Ernährung am heimischen Kü-chentisch
passiert jedenfalls ganz automatisch und unbewusst – und das
macht auch vor Schulmensen nicht Halt. Klar ist: die Ernährung von Mäd-chen
und Jungs ist keine schwarz-weiße Angelegenheit. Es gibt genauso
Gesundheitsfetischisten und Körperkultler der männlichen Fraktion,
wie
es weibliche Esser gibt, die von Fastfood nicht genug bekommen kön-nen.
Was aber dennoch mit dem Wissen anfangen, dass es eben so etwas
gibt wie weibliches und männliches Essverhalten? Sie, liebe Leser, sind
jedenfalls nicht zu beneiden. Doch wer seine jungen Gäste und deren
Bedürfnisse kennt und auf sie eingeht, der kommt mit seinen Speisen gut
an. Bei Jungs und bei Mädchen.
Beim Bildungsmonitor 2018 gab es im Vergleich zum Vorjahr erst-mals
nahezu bundesweit Rückschritte. Vor allem in den Hand-lungsfeldern
Schulqualität, Integration und Verminderung von
Bildungsarmut verschlechterten sich die Ergebnisse deutlich. Und dazu
kommt, dass die Schulverpflegung in Deutschland heute an einem
Scheidepunkt steht. Ob Frischküche vor Ort oder Cook & Chill steht
nicht mehr zur Debatte – denn in Deutschland gibt es weder das eine,
noch erst recht das andere in umfassender Form. So ist für 80 % aller
Schulen nach wie vor Warmanlieferung angesagt: Die Entscheidungs-schwäche
der Bildungspolitiker hat dazu geführt, dass es kein optimales,
stark nachgefragtes Schulessen in den über 44.000 deutschen Schulen
gibt. Von den über 8 Mio. Schülern werden etwa nur ein Drittel mit
einem Mittagessen versorgt – überwiegend nur in den unteren Klassen-stufen.
Basis dafür bildet der Beschluss der KMK von 2009, bezogen auf
die Ganztagsschulen.
Zur grundlegenden Veränderung der Situation sind neues Denken und
damit neue Lösungsansätze mit nachhaltiger Wirkung gefragt. Noch
stehen die allerüberzeugendsten Beweise aus, aber die heutige Gesell-schaft
ist im Umbruch und die Blockchain formiert sich und wird zu tief-greifenden
strukturellen Veränderungen führen. Vom Erzeuger bis zum
Verbraucher werden neben Lebensmittelherstellern und -einkäufern vor
allem die Nutzer von Schulverpflegungsangeboten bald die Möglichkeit
haben, den Preis, die Menge und zum ersten Mal auch die Qualität ihrer
Waren zu verfolgen und das in einer transparenten, sicheren, vollständig
digitalen Lebensmittelversorgungskette, der Blockchain. Sie ermöglicht
den Austausch von Werten zwischen Personen, Produkten und Angebo-ten
als einer zentralen und neutralen Instanz.
Nach über 15-jähriger Diskussion des Themas Schulverpflegung in den
verschiedensten Gremien, auf Kongressen und im Deutschen Bundestag
ist das DNSV überzeugt, dass es wieder Zeit ist für den wissenschaftlichen
Diskurs des Themas und deshalb lädt das DNSV zur 1. Wissen-schaftlichen
Konferenz Schulverpflegung in Kooperation mit dem
Kompetenzzentrum Schulverpflegung an der Universität in Vechta, am
9. November 2018 ein. Wir freuen uns auf Sie!
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3/2018 Schulverpflegung