
Es ist nicht lange her, da ließen sich die
Gäste noch leicht durchschauen. Bei-spiel
Betriebsverpflegung von schwer kör-perlich
geforderten Mitarbeitern, großteils
männlich: deftige, fleischreiche Kost spielt
hier eine große Rolle. Das Gegenstück
wäre
z. B. eine Mensa, die von vielen,
v. a. weiblichen, Geisteswissenschaftlern
besucht wird. Digitale Kanäle wie Face-book
und die zunehmende Komplexität
haben die Karten aber neu gemischt. Es ist
schick, paleo, vegan, laktose- oder gluten-frei
zu essen, nur um anders zu sein. „Man
hat den Eindruck, dass kaum einer noch
normal isst“, bestätigt auch Dr. Thomas Ell-rott
vom Institut für Ernährungspsychologie
in Göttingen. Absolution holt man sich
nicht mehr in der Kirche, sondern im Bio-
Markt und statt der Familie gibt einem die
vegane Community im Internet Rückhalt.
Schöne neue Welt!
Noch gruseliger wird es aber, wenn man
das Restaurant der Zukunft, ein Projekt
der Universität Wageningen in den Nie-derlanden
anschaut. Weil die Gäste immer
weniger zu durchschauen sind, werden sie
hier beim Essen durchleuchtet – unter dem
Deckmantel der Wissenschaft. Farbe von
Licht, Speisen, Servietten, Tellern, Teller-größe,
Speisenanordnung, Bestuhlung –
das sind nur einige der Stellschrauben, die
variiert werden, um das Essverhalten der
Versuchskaninchen – pardon, Gäste – zu
untersuchen. Erste Ergebnisse haben z. B.
Folgendes zutage gefördert: Bei blauer Be-leuchtung
steigt der Fischkonsum an, bei
warmem Licht der Kaffeekonsum, weil sich
zugleich die Aufenthaltsdauer im gemütlich
empfundenen Ambiente erhöht. Gleich zu
Buffetanfang werden die Teller tendenziell
vollgeladen – will man dem Gast etwas Be-stimmtes
anpreisen, ist hier also der ideale
Platz dafür. Was man isst, bestimmen aber
nicht nur Licht und Angebot, sondern auch
eine starke Persönlichkeit innerhalb einer
Tischgemeinschaft – die als Meinungsbild-ner
negativ wie positiv wirken kann.
Und damit sind wir beim Knackpunkt
angelangt: Der durch die Studie gläsern
gewordene Gast kann mithilfe der Ergeb-nisse
Claudia Kirchner
Chefredakteurin
unterbewusst zu einem gesünderen
Essverhalten angestupst werden, Nudging
genannt. Man könnte die Gäste dadurch
aber auch in seinem eigenen Sinne mani-pulieren.
Ständige Kaffeekränzchen sind
dem Chef ein Dorn im Auge? Kühles Licht
und unbequeme Möbel könnten hier „Ab-hilfe
schaffen“. Der Caterer möchte seinen
Umsatz steigern? Hochpreisige Kompo-nenten
an den Buffetanfang! Im Mittagstief
passieren ständig Flüchtigkeitsfehler?
Dann kommen an den Buffeteingang fortan
nur noch bekömmliche Speisen!
Der Spagat ist schwierig. Denn ist es nicht
auch Aufgabe einer Außer-Haus-Verpfle-gung,
ihre Gäste gesund zu erhalten?
Ihnen zu zeigen, dass nicht nur Schnitzel
lecker sein kann – und da es mit dem erho-benem
Zeigefinger der Gesundheitsargu-mentation
nicht geht, dann eben versteckt?
Hat ein Arbeitgeber, der das Mittagessen
bezuschusst, nicht auch das Recht, des-sen
Zusammensetzung mitzubestimmen?
Ich wünsche Ihnen viel Erfolg dabei, den
gesunden Mittelweg zu finden!
Wie Gäste ticken (sollen)
Foto: © Paul Bojba
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