Fragen von gastronomischen Betrieben zur Vorbereitung auf das Corona-Virus sind derzeit das Tagesgeschäft von Armin Wenge, Präsident des Bundesverbands der Lebensmittelkontrolleure e. V. Hygieneforums und Gründer des Hygiene-Dienstleisters delphi Lebensmittelsicherheit sowie Vorsitzender des Arbeitskreises GV Köln. Seine Antworten und Empfehlungen geben wir an dieser Stelle exklusiv weiter.
Herr, Wenge, was raten Sie gastronomischen Betrieben angesichts der aktuellen Corona-Thematik?
Zunächst einmal muss sich jeder von uns bewusst werden, dass wir es mit einer Pandemie zu tun haben. Pandemie bedeutet, es ist das „ganze Volk“ betroffen. Experten vergleichen diese Pandemie mit der Hongkong Grippe von 1968 in Deutschland. Damals starben in Deutschland 30.000 Menschen, Millionen erkrankten, weltweit gab es 1-4 Mio. Todesfälle. Um der Pandemie entgegenzuwirken, ist es entscheidend frühzeitig konsequente Maßnahmen zu treffen.
Sinnvoll ist es zunächst, die vorhandenen und bekannten Maßnahmen einer guten Hygienepraxis, wie sie auch aus früheren Fällen von Grippeepidemien bekannt sind, konsequent zu handhaben, etwa das Aufstellen von Händedesinfektionsspendern mit viruziden Händedesinfektionsmitteln, eine Husten- und Nies-Etikette aller Mitarbeiter sowie eine Abkehr vom Händeschütteln zur Begrüßung oder Verabschiedung. Alle Maßnahmen sollten immer ausreichend kommuniziert werden, um das Verständnis zu fördern und damit die Einhaltung zu gewährleisten.

Welches strategische Vorgehen ist angebracht?
Man sollte frühzeitig sogenannte TOP-Maßnahmen (Technisch, Organisatorisch, Personell, s. auch Auflistung am Ende des Artikels) definieren und je nach Organisationsstruktur z. B. gemeinsam mit dem Betriebsarzt und der Geschäftsleitung eine Strategie festlegen, wann welche Maßnahme umgesetzt werden sollte. Hilfreich kann es auch sein, das örtliche Gesundheitsamt in die Strategie mit einzubeziehen, wenn dieses nicht bereits durch die lokale Situation Maßnahmen angeordnet hat, die das Unternehmen bzw. den gastronomischen Betrieb betreffen. Die erwähnten Sofortmaßnahmen sollten aber ohne Abstimmung umgesetzt werden.
Haben Sie ergänzende Tipps speziell für die Verpflegungssituation im Care-Bereich?
Seniorenheime zählen in Bezug auf Corona zu den gefährdesten Betrieben, die Sterblichkeitsrate wird hier am höchsten liegen. Die Esseneinnahme auf dem Zimmer ist eine Option, die sicherlich nicht unbekannt ist. Diese sollte im Bedarf ausgeweitet werden.
In Seniorenheimen ist auch sicherlich genügend Hygieneexpertise im Pflegebereich vorhanden. Auch hier sollte man aber mit dem (Quarantäne-)Ausfall des Küchenpersonals rechnen und alternative Verpflegungskonzepte in Betracht ziehen.
Eventuell kann man den Wohnbereichsküchen mehr Befugnisse übertragen, z.B. die Zubereitung bestimmter Gerichte.
In Krankenhäusern ist für den Ausfall der Küchenmannschaft eine Ausgabe der Essen in Menüschalen vorzubereiten: TK oder frisch eingekauft. Auch hier gilt In Krankenhäusern ist genügend Hygieneexpertise vorhanden. Die Küche sollte daher alle Maßnahmen mit den Medizinern abstimme
Wie stehen Sie zum Tragen eines Mundschutzes?
Durch das Tragen eines Mundschutzes ist man selbst vor Viren nicht geschützt. Ausnahme ist das Tragen einer FFP3-Maske, welche allerdings ein wirkliches Hindernis darstellt. Der Mundschutz verhindert aber, dass erkrankte Personen die Viren verteilen, allerdings sollten diese Personen in der aktuelle Phase der Pandemie unter Quarantäne stehen und niemals in der Küche bzw. im Unternehmen arbeiten. Der Mundschutz hat allerdings einen sehr großen psychologischen Effekt und man selbst vermeidet das häufige Berühren von Nasen- und Mundschleimhäuten. Aus diesen Gründen hat auch der einfache Mundschutz seine Berechtigung.
Was ist zu tun, wenn Mitarbeiter der Küche erkranken?
Auf den Ausfall von Mitarbeitern sollte der gastronomische Betrieb vorbereitet sein, obgleich dies in der aktuellen Pandemiephase vermutlich bedeutet, dass auch die gesunden Kollegen der Küche unter Quarantäne gestellt werden. Ich glaube kaum, dass die vorhandenen Krisenpläne den Total-Ausfall der kompletten Küchenmannschaft berücksichtigt haben. Hier kann ein gutes Netzwerk mit befreundeten Betrieben helfen, die einspringen. Im Bereich der Betriebs-, Schul- und Studentenverpflegung sind Teilausfälle tolerierbar, im Care-Bereich muss ggf. die Katastrophenhilfe einspringen.
Welche Maßnahmen wenden Sie persönlich an?
Aktuell schüttle ich keine Hände mehr, verbunden mit dem mündlichen Hinweis auf den Übertragungsweg. Wenn ich im ÖPNV unterwegs bin, trage ich Handschuhe, was bei den derzeitigen Temperaturen fast noch normal ist. Ich versuche Abstand zu hustenden und nießenden Personen zu halten und versuche meine Abwehrkräfte zu stärken. Für den Fall einer Erkrankung kann ich einen Heimarbeitsplatz realisieren.
Herr Wenge, herzlichen Dank für das Gespräch!
TOP-Maßnahmen:
Die aufgeführten TOP-Maßnahmen sind mögliche Maßnahmen, von denen einige der Abstimmung mit Unternehmensleitung, Medizinern und ggf. auch dem Gesundheitsamt bedürfen.
Technische Maßnahmen:
- Mehr Desinfektionsspender, insbesondere an Ein- und Ausgängen
- Desinfektionsmittel auf viruzide Wirkung überprüfen
- Desinfektionsmaßnahmen auf Gästebereich ausweiten
- Hinweisschilder zum Verhalten für die Mitarbeiter und Gäste
- Keine Selbstbedienung an der Salattheke, stattdessen abgepackte Salate
- Besteck und Servietten nicht mehr in Selbstbedienung ausgeben
- Ausgabe in Menüschalen vorbereiten, um das dezentrale Essen (Arbeitsplatz/im Zimmer/Wohnbereich) zu ermöglichen
- Ausgabe mit „Stationswagen“ vorbereiten
- Sitzgelegenheiten im Gästebereich verringern, damit mehr Sicherheitsabstand zwischen den Gästen ist
- ggf. auch eine Separierung von Gästen mit Symptomen wie Husten und Schnupfen (nur nach Abspreche/Anordnung durch das Gesundheitsamt)
- ggf. eine Temperaturmessung von Gästen (wie an asiatischen Flughäfen); Anm. Wenge: „Ob das Sinn macht, vermag ich nicht zu sagen. Daher würde ich diese Maßnahme, ebenso wie die vorige nur nach Abspreche/Anordnung durch das Gesundheitsamt durchführen.“
Speziell für Betriebe der Gemeinschaftsgastronomie
- Ausgabe in Menüschalen vorbereiten, um das dezentrale Essen (Arbeitsplatz/im Zimmer/Wohnbereich) zu ermöglichen
- Ausgabe mit „Stationswagen“ vorbereiten
- Sitzgelegenheiten im Gästebereich verringern, damit mehr Sicherheitsabstand zwischen den Gästen ist
Organisatorische Maßnahmen:
- Risikobetrachtung gemeinsam mit Mediziner durchführen
- Corona-Beauftragte(n) benennen
- Regelmäßig Informationen/Unterweisungen des Personals bzgl. Corona
- Informationen an Gäste zu aktuellen und zukünftigen Maßnahmen
- Anteil der vitaminreichen Kost deutlich erhöhen
- Bei Außer-Haus-Verpflegung Informationen geben und Hilfestellung leisten (z.B. Kita)
- Öffnungszeiten/Ausgabezeiten verlängern (um Gästemassen zu entzerren)
- Zutritt nur noch schubweise/abteilungs-/klassenweise
- Je nach Betrieb: Schließung des Casinos/Mensa/Speisesaals und die dezentrale Versorgung der Gäste vorbereiten
Personelle Maßnahmen:
- Auf das Händeschütteln konsequent verzichten
- Husten und- Niesetikette beachten, in die Armbeuge husten oder niesen
- Schützende Verhaltensmaßnahmen fördern, z.B. Türklinken nicht mit der Hand anfassen
- Meldepflicht des eigenen Personals auf Grippesymptome ausweiten
- Meldepflicht für das Personal, wenn Erkrankungen im häuslichen Umfeld auftreten (vgl. auch DIN 10506)
- Mundschutz in der Ausgabe tragen
- Mundschutz in der Produktion, insbesondere in der Kalten Küche tragen