Ethischer Fleischkonsum – wie sieht dieser aus? Unsere Interviewserie gibt einen Einblick.
Quelle: Maryna Solodka/Colourbox.de

Ethischer Fleischkonsum – Teil 3

Jens Witt im Interview: Ganztierverwertung, Insekten, 3D-gedrucktes Fleisch, Tierwohllabel – wie sieht der Weg hin zu einem nachhaltigen, ethischen Fleischkonsum aus? Experten der Branche – vom kochenden Ganztierverwerter über den veganen Koch bis hin zum Unternehmer für Fleischalternativen – geben einen Einblick.

Im dritten Teil der sechsteilige Reihe unter dem Motto „Nachhaltiger, ethischer Fleischkonsum: Ist kein Fleisch auch (k)eine Lösung?“ kommt Jens Witt, der FairVerpfleger, zu Wort: „Es ist Aufgabe des Staates dafür zu sorgen, dass (Nutz)Tiere artgerecht gehalten werden.“

Zur Person: Jens Witt

Jens Witt, Inhaber des Cateringunternehmens Wackelpeter, engagiert sich seit mehr als 25 Jahren für eine faire Verpflegung.
Jens Witt (Quelle: meerfreiheit.com)

Als BioMentor und stv. Vorsitzender von Slow Food Deutschland steht Jens Witt, der Inhaber des Caterers Wackelpeter, seit über 25 Jahren beruflich ein für gute, saubere und faire Verpflegung. Nichtsdestotrotz muss sich seiner Meinung nach vieles ändern.

Angemessene Art von Umgang

Herr Witt, ist kein Fleisch essen auch eine Lösung?

Kein Fleisch für alle? Was für eine absurde Vorstellung! Die Entscheidung gegen den Verzehr von Fleisch oder aller tierischen Produkte kann immer nur eine freiwillige, sehr persönliche sein. Bereits wenn Eltern dies für ihre noch nicht mündigen Kinder entscheiden, wird das teils kontrovers diskutiert.

Präziser wäre es von tierischen Lebensmitteln zu sprechen. Denn der Verzehr von Milchprodukten, Eiern usw. setzt die Existenz von (Nutz)Tieren voraus, deren „Nutzung“ letztendlich auch den Verzehr von „Fleisch“ – gerade auch der männlichen Tiere – impliziert. Ein gänzlicher Verzicht auf tierische Lebensmittel der gesamten Menschheit wäre ein interessantes Gedankenexperiment, mehr aber auch nicht. Der Erfolg unserer Spezies beruht unter anderem auch auf unserer Anpassungsfähigkeit an unterschiedlichste Lebensräume, und somit auch an die dort vorherrschenden Möglichkeiten sich zu ernähren. Hätte man einem Inuit im 19. Jahrhundert ernsthaft den Verzicht auf tierische Produkte empfehlen sollen?

Was sind die größten Herausforderungen auf dem Weg dahin?

Der Diskurs findet überwiegend außerhalb der Küchen und somit ohne die Mitwirkung derer statt, die es am Ende umsetzen müssen. Die „Profis“ stehen oft zwischen allen Stühlen. Die Fülle der Forderungen – nachhaltig, ausgewogen, Bio, vegan, abwechslungsreich, jahreszeitengerecht, regional usw., die an sie heran getragen werden, stehen im krassen Widerspruch zur konkreten Unterstützung. Da wird häufig über Küchen, aber nicht mit ihnen gesprochen, ganz davon abgesehen, dass sich wie fast überall qualifiziertes Personal kaum findet und Corona hat die Situation nochmals verschärft.

Verpflichtende Planetary Health Diet, fixe Bio-Anteile, Subventionen o.ä. – was ist auf deutscher oder gar europäischer politischer Ebene nötig, damit die deutsche Gastro-Landschaft nachhaltiger wird und werden kann?

Let’s keep it simple… Lassen Sie uns unnötige und schädliche Subventionen in der Landwirtschaft und der Lebensmittelindustrie streichen. Keine Flächenprämien, sondern Leistungen für eine weniger intensive Landwirtschaft, um nicht zu sagen eine extensive Form der Landwirtschaft. Gleichzeitige Anhebung der CO2-Bepreisung, keine Rabatte für energieintensive Betriebe wie Großschlachtereien. Ja, das führt zu höheren Preisen vor allem bei den höherwertigen tierischen Produkten. Bei einem planvollen Vorgehen führt dies automatisch zu dem, was ich anfangs beschrieben habe, die Anpassung der Gastronomie an die neuen wirtschaftlichen Verhältnisse. Wenn sie etwas subventionieren wollen, dann die Struktur der Lebensmittelverarbeitung. Warum gibt es immer weniger kleine Schlachtereien und fleischverarbeitende Betriebe? Weil die Politik alles dem Markt überlässt. Fördern Sie Direktvermarktung, verringern sie bürokratischen Irrsinn, kappen sie Verordnungen, die für Großbetriebe gedacht sind, aber mittlere und kleinere Unternehmungen benachteiligen.

Einen regulatorischen Vorschlag hätte ich: Wie wäre es, die Bezeichnung „Restaurant“ nur den Betrieben zu gestatten, die selber kochen, die aus- und weiterbilden? Da wäre schon einiges gewonnen. Warum nicht hier mit Qualitätsstandards auch Verbraucherschutz betreiben? Wie wäre es, diese Betriebe zu verpflichten, die Herkunft der verwendeten Lebensmittel offen zu legen, das soll die Gastronomie ja auch bei den Allergenen tun?

Welches Fleischgericht möchten Sie nicht missen?

Ich möchte gar kein Fleischgericht missen. Warum auch? Schließlich geht es nicht um Verzicht, sondern um ein angemessene Art mit dem Lebensmittel Fleisch umzugehen. Wenn ich in meiner Vorstellung ein Schwein schlachte, muss ich alles von ihm essen, also from nose to tail, da kann ich nicht sagen: sorry – also mit Eisbein habe ich moralisch ein Problem.

Was regt Sie in der kulinarischen Nachhaltigkeitsdebatte aktuell auf?

Ellenlange Diskussionen in Zoom-Konferenzen die immer um dasselbe kreisen, bei denen es oft nur darum geht, wer die Deutungshoheit und somit auch finanzielle Mittel erhält. Wie wäre es, sich dem Slogan eines weltbekannten Sportartikelherstellers zu eigen zu machen? „Just do it!“

Danke für das Gespräch!

info

Wie steht ein Food-Trendscout zum Fleischkonsum?

Seit mehr als 30 Jahren lebt Andrew Fordyce für die Gastronomie. Als Foodscout kennt er sich aus in der Weltküche und hat auch schon so manchen Trend nach Europa importiert, ob Sushi, Insekten oder Streetfood-Produkte wie Jackfruit. Was Andrew Fordyce zum ethischen Fleischkonsum sagt und welchen Beitrag er dazu leistet, hat er im Interview verraten.

Quelle: B&L MedienGesellschaft

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